Sprengel Bardenitz / Sprengel Dobbrikow

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Amtseinführung
Ostern 2009
Heinrich Vogel '09
Heinrich Vogel '10
Predigt zu 1. Joh 1,12–17 am 19.10.2008 in Pechüle zur Einführung des Pfarrers
Liebe Kinder, ich schreibe euch, dass euch die Sünden vergeben sind um seines Namens willen. Ich schreibe euch Vätern; denn ihr kennt den, der von Anfang an ist. Ich schreibe euch jungen Männern; denn ihr habt den Bösen überwunden. Ich habe euch Kindern geschrieben; denn ihr kennt den Vater. Ich habe euch Vätern geschrieben; denn ihr kennt den, der von Anfang an ist. Ich habe euch jungen Männern geschrieben; denn ihr seid stark, und das Wort Gottes bleibt in euch, und ihr habt den Bösen überwunden. Habt nicht lieb die Welt noch was in der Welt ist. Wenn jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. Denn alles, was in der Welt ist, des Fleisches Lust und der Augen Lust und hoffärtiges Leben, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt. Und die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit.
Liebe Gemeinde!
Menschen Vergebung anzusagen ist der ureigene Auftrag von Kirche und Gemeinde. Vergebung fängt da an, wo jemand ein gutes Wort für den anderen einlegt. Ein gutes Wort für den anderen einzulegen ist weit mehr als nett zueinander zu sein. Wer sich für den anderen einsetzt, geht ein Wagnis ein. Er legt sich fest. Er macht sich angreifbar. Er sagt etwas, das auf Widerspruch stößt. Jesus hat dadurch seiner Kirche und Gemeinde den Weg gebahnt.
Der 1. Johannesbrief bringt seinen Hörern den Herzschlag des Glaubens und des Christseins nahe – die Vergebung. Da geht es um alles oder nichts. Denn wozu sollte Kirche und Gemeinde da sein, wenn nicht dafür, dass einer dem anderen vergibt und viele mit gutem Gewissen leben? Das Quellwasser der Vergebung heißt Gottes Wort. Es soll in die Herzen der Menschen hineinfließen, damit die Herzenshärte überwunden wird. Die Gewissheit, dass Gottes Wort Vergebung wirkt, haben wir in Jesus Christus. Er hat ein gutes Wort eingelegt für uns Menschen, obwohl für ihn keiner ein gutes Wort einlegte, auch nicht seine Jünger.
Wann haben wir das letzte Mal ein gutes Wort für einen anderen eingelegt? Es muss ja nicht gleich eine Zeugenaussage vor Gericht sein, um für jemand anderes einzutreten. Der Absender des Johannesbriefes richtete seine Aussagen gezielt an die Väter, an die jungen Männer, an die Kinder. Nicht, dass jemand ihnen das Kommen verbot, aber wer in den Gemeinden legte gerade für sie ein gutes Wort ein, wer lud gerade sie ein? Viele Väter kamen vermutlich schon damals nicht in die Gemeinde. Lag es daran, dass sie dachten, in den Gemeinden würden nur die Sorgen von Frauen beredet? Warum kamen die jungen Männer nicht – und heute muss man hinzufügen: Warum kommen die jungen Frauen nicht? Erwarten sie nichts mehr von dem, was Jesus gesagt und getan hat, damit Menschen Zuversicht haben?
Könnte es sein, dass uns als Kirche und Gemeinde das Generalthema Vergebung abhanden gekommen ist? Jesu ureigenstes Thema, das er niemandem vorenthielt, womit er sich die schwersten Vorwürfe einhandelte, für das er sich aufreiben ließ. Über Vergebung redete man bereits zu Jesu Zeit nicht gerne. Da geht es um Scherbenhaufen. Die kehrt der Mensch lieber unter den Teppich. „Liebe Kinder!“, schreibt der Verfasser unseres Predigttextes. Könnte es sein, dass wir erst selbst wieder wie Kinder werden müssen, um zu verstehen, wie kostbar es ist, im Himmel einen liebenden Vater zu haben? Ein Vater, der seine Kinder angesichts des Scherbenhaufens nicht schlägt und ihnen keine Strafen auferlegt, sondern sie in die Arme nimmt und tröstet. Wer wollte einen solchen himmlischen Vater nicht lieb haben?
Wir haben gesehen, welcher Zielgruppe der Verfasser unseres Predigttextes Vergebung nahe bringt – allen. In der christlichen Gemeinde gehören alle dazu, die Schwachen und die Starken, die Kinder und die Erwachsenen, die Jungen und die Alten, die Männer und die Frauen, die Gesunden und die Kranken, die Klugen und die vermeintlich Dummen. Sie alle gehören zur örtlichen Gemeinschaft derer, die Christus nachfolgen. Da soll keiner außen vor bleiben. Wie aber kann nun in all diesen verschiedenen Menschen Vergebung wachsen? Wer sich selbst und die Menschen kennt, weiß wie schwer es ist, wenn es darauf ankommt, dem anderen wirklich zu vergeben. Dass einer dem andern nichts erlässt und den anderen noch straft, wie wir im Evangelium hörten, ist Alltag. Im Großen erleben wir es gerade bei der Finanzkrise, die die angehäuften Geldreserven aufzufressen droht, nicht nur zum Nachteil der Reichen. Gnade und Erlass findet man in der Welt kaum, bei Gott schon.
Die Bibel versteht Vergebung immer als ein Geschehen in der Zeit. Die Zeit der Erkenntnis eigener Schuld, die Zeit der Aussprache der Schuld vor Gott im Gebet, die Zeit der Aussprache der Schuld gegenüber einem Mitchristen und auch gegenüber dem, an dem ich schuldig geworden bin. Manche – allzu weltliche – Aussagen stehen diesem Verständnis von Vergebung entgegen. Ich denke an Sätze wie: „Reden wir nicht mehr darüber“ – „Schwamm drüber“. Da geschieht keine echte Vergebung. Wer so redet, will etwas hinter sich bringen, um bald neues Böses tun zu können. Es hilft niemandem, über Verursachtes und Erlittenes eilig hinweg zu gehen. Vergebung braucht Zeit für Besinnung und sie braucht Gottes Wort.
Es gibt noch andere Redensarten, die manche für eine Form von Vergebung halten. Ich denke an die Rede vom „durch die Finger sehen“, „ein Auge zudrücken“, „nicht päpstlicher sein als der Papst“. Solche Nachsicht hat ihren Platz, wo es darauf ankommt, die Situation des anderen richtig einzuschätzen. Ein Meister, der sieht, dass der verschlafene Lehrling am Vortag Geburtstag gefeiert hat, wird an diesem Tag keine handwerkliche Höchstleistung von ihm verlangen. Großzügigkeit und Toleranz können angebrachte Verhaltensweisen eines Menschen sein. „Jeder soll nach seiner Façon selig werden“, hat ein berühmter preußischer König gesagt. Gefährlich wird es dort, wo unter der Überschrift Toleranz der eine dem anderen egal wird. Wo der eine dem anderen egal wird, da wird es eisig zwischen Mensch und Mensch.
Vergebung ist viel mehr als Toleranz. Bei Vergebung geht es darum, dass man sich die Verfehlungen nicht gegenseitig aufrechnet, sie aber auch nicht einfach übergeht. Jesus hat durchaus nicht einfach alles hingenommen. Sein Schweigen gegenüber seinen Peinigern im Verhör vor seiner Kreuzigung war Ausdruck eines tiefen Protestes gegen die Großmannssucht des Stärkeren. Am Kreuz sehen wir ihn ganz als den, der für andere gelebt hat. Noch im Angesicht des Todes hat er für seine Feinde bei seinem Vater im Himmel ein gutes Wort eingelegt. Spätestens hier erkennen wir Jesus als den, der mit dem Vater eins ist, der ganz seinen Willen tut, der bis zum Ende aller Tage an seiner Seite die Welt regiert.
Wir haben gesehen, dass Vergebung alle angeht und dass Vergebung eine Sache ist, die Gott selbst durch seinen Sohn Jesus Christus hart errungen hat. Vergebung ist etwas, das im Leben eines jeden Dringlichkeit hat. Nicht nur in unserem Leben, sondern auch im Leben unserer Mitmenschen, bei unseren Familien, unseren Kollegen, unseren Nachbarn im Dorf und auch in der Politik, der großen in der weiten Welt und der kleinen auf unseren Dörfern. Wir haben gesehen: Vergebung geschieht nicht von selbst und versteht sich nicht von selbst. Sie muss wachsen, im Hören auf Gottes Wort, im Gebrauch der Sakramente Taufe und Abendmahl und auch im Beichtgespräch, das wir in Kirche und Gemeinde weitgehend vergessen haben.
Als Pfarrer kann ich nur versuchen, zusammen mit den Kirchenältesten, den Prädikanten, der Katechetin und mit allen, die sich engagieren wollen, in den hiesigen Gemeinden Vergebung neu zum Thema zu machen im Hören auf Gottes Wort. Ich will es nach Kräften tun. Alle sind aufgerufen, auf diesem Weg mitzugehen, denn Jesus ist diesen Weg vorangegangen. Manche Durststrecke liegt vor uns und wir werden auch sehen, dass die Welt es uns auf diesem Weg nicht leicht macht. Manchmal ist die Welt mitten in Kirche und Gemeinde am Werke. Da sollen wir nicht verzagen, sondern an Gottes Wort festhalten. Gottes Wort macht innerlich stark, auch wenn wir äußerlich schwach sind. Jesus lädt uns ein, mit ihm mitzugehen durch die Zeiten, bis wir im Licht seiner Herrlichkeit am Ende aller Tage das Ziel erreichen – Gottes Ewigkeit. Bis dahin wollen wir Jesus nachfolgen als solche, für die er selbst ein gutes Wort eingelegt hat und als solche, die ein Herz haben, für andere ein gutes Wort einzulegen.
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