Sprengel Bardenitz / Sprengel Dobbrikow

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Amtseinführung
Ostern 2009
Heinrich Vogel '09
Heinrich Vogel '10
Predigt zu Mk 16,1–8 am 12.4.2009 in Hennickendorf und Bardenitz
Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß. Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich. Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich.
Liebe Gemeinde!
Darf man die Erzählung des Evangelisten Markus auch als Witz erzählen? Ich versuche es mal: Kommen drei Frauen zum Grab Jesu. Statt des Toten sitzt ein Engel da und zeigt auf das leere Grab. Sagt die eine Frau zu dem Engel: Das ist ja entsetzlich! Sagt der Engel: Beschwerden nimmt der Auferstandene nur persönlich entgegen. Sagt die andere Frau: Das ist ja furchtbar! Sagt der Engel: Würdet ihr Frauen mal so nett sein, die Jünger an die vereinbarte Begegnung mit dem Auferstandenen zu erinnern? Die Frauen stürzen davon. Der Engel kopfschüttelnd zu sich selbst: Der Umgang mit Engeln war auch schon mal besser. Einfach wegrennen. Bei meinem langen Warten wäre ein „Danke“ und ein „Ja, machen wir“ schon nett gewesen. Die Umgangsformen in den Gemeinden werden später hoffentlich besser sein.
Der Sinn eines Osterwitzes ist dieser: Wie ein Lachen in einer peinlichen Situation alle frei machen kann, so sprengt die Auferstehung die Betonwände menschlicher Befangenheit im eigenen ich und im eigenen Zweifel. Bevor ein Witz entlastend wirken kann, muss er das Schlimme, das Festgefahrene, das Widersinnige auf’s Höchste zuspitzen. So hat es auch Gott getan mit dem höchsten Preis, den er dafür zahlen musste: der Hingabe seines Sohnes. Das war freilich gar nicht komisch, dass die Menschen dem das Leben nehmen wollten, der das Leben ist. Man meinte, Gott damit einen Gefallen zu tun, als man „diesen Anstifter, diesen Irrlehrer, diesen Hochstapler“ auf alle Weise demütigte und zu Tode brachte. Gott selbst hat gelitten, indem Jesus mit Haut und Haar Gottes Willen erfüllte, zeitlich und ewiglich. Kaum zu ermessen die Bedeutung dieses Geschehens! Man kann es in Jahren nicht auspredigen.
Auf das Eindrücklichste zugespitzt ist nun beim Evangelisten Markus die Trauer der drei Frauen, die zu Jesus in besonderer Beziehung standen – als seine Verwandte und als ihm Nahestehende und noch mehr als ihm Nachfolgende. Sie waren nicht geflohen vom Kreuz wie die meisten Jünger, sondern sie hatten – wenigstens von Ferne – die Kreuzigung gesehen. Sie wussten, dass da mehr als ein Mensch zu Tode gebracht worden war – mit ihm die Hoffnung Israels auf Errettung von Jammer, Not und Gottlosigkeit. Sie trauerten nicht nur um seine Person, sondern mit ihm schien alles göttliche Erbarmen zu Grabe getragen. Zurück blieben Berge menschlicher Schuld. Der Gang der Frauen an das Grab erscheint als Gang in die Grabkammer aller Zuversicht, aller Gewissheit, aller Freude. Leichnamssalbung, Grabpflege und Gedenken waren das Letzte, was die Frauen noch meinten, tun zu können. Der Feind Gottes hatte – so schien es – großen Sieg errungen.
Trauernden geht noch vieles durch den Kopf. Vergangenes, das im Rückblick kostbar scheint. Zukünftiges, das als Wunschbild schmerzt. Die Gegenwart schreckt Trauernde, weil sie eine Wahrheit real macht, die nicht real sein darf. Wohl auch deshalb haben sich die Frauen erst auf dem Weg Gedanken darüber gemacht, wer ihnen den schweren Rollstein am Eingang des Grabes wegwälzen würde. Der Blick der Frauen auf den weggewälzten Stein terminiert den Uranfang von Kirche und Gemeinde. Da ist etwas nicht mehr wie es zuvor war. Da schwebt der Geist Gottes über einem Grab, das bis dahin als Ort der Bestätigung aller irdischer Finsternis galt. Die Frauen jedoch klammern sich an ihre Trauer. „Wenn schon alles aus ist mit Jesus, dann lasst uns wenigstens in Ruhe trauern. Keine Unterbrechung der Trauer bitte!“ Trauerarbeit ist ganz wichtig. Das sagen alle, die Erfahrung im Umgang mit Trauernden haben. Friedhöfe sind Orte der Ruhe. Keine Orte für respektlose Scherze.
Es bleibt nicht bei dem weggerollten Stein. Da sitzt einer an der Seite im Grab. Ein junger Mann in weißem Gewand. Er redet. Ist er vom Feind geschickt? Ist es ein Verrückter? Er zeigt auf das leere Grab und sagt: „Den ihr sucht, der ist nicht hier.“ Er weiß offenbar genau, was die Frauen bewegt. Er weiß, dass der Tote gekreuzigt wurde. Er sagt etwas, was sie ins Herz trifft. Eine Unmöglichkeit, die weh tun muss. Er sagt, er lebe. Ein Skandal sondergleichen. Empörend, so etwas zu behaupten. Er sagt nicht nur, dass er lebe. Der Auferstandene würde sie schon erwarten in Galiläa. Sie sollten doch den Männern Bescheid sagen. Sie würden ihn bald treffen. Alles würde so werden, wie er es damals gesagt hatte. Die Frauen sprachlos, fassungslos, entsetzt. Nur weg von hier. Das ist zuviel. Das ist der falsche Film.
Spätestens an dieser Stelle wird das Verhalten der Frauen komisch. Sie bestreiten etwas, was mindestens in ihrer damaligen Gegenwart nicht zu bestreiten ist: Ein weggerollter Stein. Ein leeres Grab. Eine klare und unmissverständliche Auskunft eines Boten. Ob Männer sich anders verhalten hätten? Ob wir uns anders verhalten hätten? Wenn jemandem mitgeteilt wird, dass er 1000 Euro gewonnen hat, dann wird er es gerne glauben und sich sein Entsetzen in Grenzen halten. Aber wenn uns gesagt wird, dass der Gekreuzigte lebt, dass der Tod überwunden ist und dass Gott mit dieser Welt und mit uns einen neuen Anfang gemacht hat, dann halten wir es für ein Märchen. Das ist es, was wir als Gemeinde lernen sollen: Die Auferstehung steht nicht allein in Worten, sondern in Leben und in Kraft. Es kommt alles darauf an, dass wir so ein Psalmwort, wie wir es eingangs gesprochen haben, nicht nur mitplappern, sondern es glauben und im Alltag leben: „Die Rechte des Herrn behält den Sieg! Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke verkündigen!“ Wenn Christus nicht in unserer Gemeinde lebendig ist, so nützen uns alle biblischen Worte nichts. Wenn wir es aber glauben, so haben wir alles: Gemeinschaft mit Gott und mit Menschen, Zuversicht, Gewissheit und das ewige Leben.
Das Kreuz wird durch die Auferstehung nicht einfach weggewischt. Der Auferstandene trägt die Wundmale an Händen und Füßen. Wir als Gemeinde leben noch nicht in Gottes Ewigkeit, müssen vielmehr manche Anfeindung, manche Beschwernis, manche Traurigkeit aushalten, auch manchen eigenen Zweifel. Äußerlich sollen wir sterben, wie auch Christus gestorben ist. Innerlich aber sollen wir fröhlich sein und lachen wie die Träumenden, die die Sonne aufgehen sehen, auch wenn es in der Welt dunkel ist. Gott hat am Anfang der Welt nicht nur gesagt, dass Licht werden soll. Er hat es über der wüsten und leeren Erde wahrhaftig Licht werden lassen. So ist es auch mit Christi Auferstehung. Über aller menschlicher Schuld und Verdrehung lässt Gott die Sonne der Vergebung und des Neuanfangs wahrhaftig aufgehen.
Die drei Frauen am Grab wurden damals im Licht der aufgehenden Sonne noch nicht froh. In ihren Gemütern lag noch die nächtliche Kühle von Trauer, Enttäuschung und Zweifel. Sie fanden auch noch nicht den Mut, anderen davon zu erzählen, was sie dort am Grab erlebt und gehört hatten. Zu verrückt, zu unglaublich erschien ihnen das alles. Spurlos wird es an ihnen aber doch nicht vorbei gegangen sein. Wer am Leibe zittert, der friert entweder oder er ist im Herzen getroffen. Wer entsetzt ist, der setzt sich mit sich oder mit Gott auseinander. Von alledem wird etwas dabei gewesen sein bei ihrer Flucht. Der schroffe Schluss der Erzählung ist eine Anfrage an uns: Werden wir froh an Ostern oder soll doch lieber alles so bleiben wie es ist? Gemeinde jedenfalls wird dann zu einem froh machenden Ort für uns und für andere, wenn wir wirklich glauben, was in unserem Glaubensbekenntnis steht. Was sagte der Engel doch gleich zu den Frauen: „Entsetzt euch nicht! Er lebt. Geht aber hin und sagt es weiter!“
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