Sprengel Bardenitz / Sprengel Dobbrikow

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Amtseinführung
Ostern 2009
Heinrich Vogel '09
Heinrich Vogel '10
Predigt zu 1. Petr 5,5c–11 am 19.9.2009 in Dobbrikow zum Heinrich-Vogel-Gedenken
Alle aber miteinander haltet fest an der Demut; denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit. Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Dem widersteht, fest im Glauben, und wisst, dass eben dieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen. Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen. Ihm sei die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit!
Amen.
Liebe Gemeinde!
Gnade ist die Hauptsache in Kirche und Gemeinde. Eine Gemeinde, die sich ausstreckt nach der Gnade, wird nicht vergeblich auf sie warten. Eine Kirche, die Gnade ansagt und aus der Gnade lebt, wird nicht nur selbst daran froh werden, sondern auch andere froh machen. Der 1. Petrusbrief ruft die Christen, die verstreut wohnen, die abseits der großen Städte Gemeinde Jesu Christi sind, zu dem gnädigen Gott. Einer, der wusste, dass Gottes Gnade der Kirche leicht abhanden kommt, war Heinrich Vogel. Als einer von wenigen hat er damals in aller Öffentlichkeit ausgesprochen, was für uns heute klar ist, damals aber keineswegs klar war: Das Kreuz Christi und das Hakenkreuz können unmöglich friedlich nebeneinander bestehen. Für Heinrich Vogel gab es nur ein Entweder – Oder: Entweder die Gnade des Gekreuzigten oder die Ideologie von Führerprinzip, Gleichschaltung und Volkstum. Heinrich Vogel hat gegen alle Gleichgültigkeit das Entweder – Oder gepredigt, vorgelebt und durchgehalten.
Wer war dieser Heinrich Vogel, der auf dem Foto als Konfirmator im Kreis seiner Konfirmanden ernst in die Kamera blickt? Noch heute erinnern sich einige an seine Strenge. Da musste manches Lied und manches Bibelwort auswendig gelernt werden. Für Heinrich Vogel war Glaube kein Spaziergang. Gottes Gnade war für ihn in Kirche und Gemeinde auch nicht einfach da, sondern sie musste mit Worten erkämpft und wenn nötig, auch mit dem Opfer des ruhigen und sicheren Lebens verteidigt werden. Der schwerste Kampf, den Kirche und Gemeinde für die Gnade zu führen hat, war für Heinrich Vogel immer auch der Kampf gegen den eigenen Hochmut. Der Hochmut hat viele Formen. Eine der schlimmsten Formen des Hochmutes ist die, dass sich jemand selbst für sein Tun Beifall spendet und auch noch von anderen erwartet, diesem Tun zuzustimmen und zu folgen. Gewiss darf man als Christ erzählen von dem, was einem gelungen ist und wo man andere überzeugt hat. Andere jedoch zu etwas zu zwingen, ihnen Befehle zu erteilen, das hätte es damals in der Kirche nicht geben dürfen. Das darf es auch heute nicht geben. In unserer Grundordnung heißt es: „Alle Leitung in der Kirche ist demütiger, geschwisterlicher Dienst im Gehorsam gegenüber dem guten Hirten. Die Ausstattung von Leitungsämtern mit Herrschaftsbefugnissen verstößt gegen die Heilige Schrift.“ Gott will nicht, dass in der Kirche Menschenwerk die Oberhand gewinne. Menschenwerk ist immer auf Lob aus, auf Anerkennung, auf Pflege der Eitelkeit. Wenn wir heute den Menschen Heinrich Vogel ehren, dann tun wir das, um Gott die Ehre zu geben. Er selbst wusste sehr gut um die Begrenztheit allen menschlichen Lebens und um die Angewiesenheit des Menschen auf Gottes Gnade – auch in dem besten Leben.
Heinrich Vogel war ein Mann, der immer die ganze Landeskirche, ganz Deutschland, ja die ganze Welt im Blick hatte. Oft war er unterwegs, wie erzählt wird, manchmal laut singend mit dem Fahrrad zwischen den hiesigen Dörfern, dann auch zum Bahnhof nach Luckenwalde, um nach Berlin zu fahren, oft genug zu den Treffen der Bekennenden Kirche. Gleichwohl war er mit Dobbrikow sehr verbunden. Das Gedicht „An die Dobbrikower Heimat“ zeigt, dass ihn die Kargheit des märkischen Sandbodens nicht abstieß, er im Gegenteil gerade diese Sprödigkeit geliebt hat, nicht nur die der Landschaft, sondern auch die der hiesigen Bewohner.
Heinrich Vogel kannte das menschliche Sehnen nach einer vertrauten irdischen Heimat, auch das Heimweh zu dieser Kirche und seiner Kanzel, auf der er viele Jahre gepredigt hatte. Als großes Geschenk empfand er immer die Gemeinschaft mit anderen Christen, hier in Dobbrikow und auch auf seinen Reisen in ferne Länder. Wer nach der Gemeinschaft im Glauben dürstet und Gott um solche Gemeinschaft bittet, der wird nicht immer sogleich eine solche Gemeinschaft finden, der wird sich manchmal in großer Geduld üben und das Gefühl des verlorenen Postens aushalten müssen. Zuletzt aber wird er doch nicht vergeblich auf die Stärkung durch die Gemeinschaft im Glauben warten. Solche Gemeinschaft wächst vor allem in den Notzeiten der Kirche. Oft gerade dann, wenn kein Weg mehr weiter zu führen scheint, wenn sich in Gemeinden Hoffnungslosigkeit breit macht. Der mit Heinrich Vogel befreundete Pfarrer Wolf aus Wittbrietzen, dem wegen seiner mutigen Äußerungen die Ausübung des Dienstes in seiner Gemeinde untersagt wurde, schrieb 1934: „Vielleicht stehen wir am Ende. – Vielleicht stehen wir am Anfang. Gott allein weiß es.“ Kurz nach Weihnachten aber geschah Erstaunliches. Am 26. Dezember 1934 wanderten über 250 Wittbrietzener trotz Kälte und Schnee hierher nach Dobbrikow, um am hiesigen Gottesdienst und am Heiligen Abendmahl teilzunehmen. Vielen schenkte der Gottesdienst damals Glaubensmut und zeigte, wie mächtig Gottes Arm ist, wenn Gemeinden Gastfreundschaft üben und sich nach Stillung des geistlichen Hungers sehnen. Wo Gott eine demütige Gemeinde findet, erhöht er sie zu seiner Zeit.
Der Gott aller Gnade kann man nicht anders kennen lernen kann als allein in Christus. „Gott in Christo“ heißt ein dickes Buch von Heinrich Vogel, das er später als Professor geschrieben hat. Viele seiner Erfahrungen im Kirchenkampf sind in dieses Buch eingeflossen. Wer den Namen Christus nennt, muss sich im Klaren sein, dass mit diesem Namen allen Mächten und Gewalten der Kampf angesagt wird. Das Tückische dieses Kampfes ist, dass das Böse sich vor uns verbirgt, dass es uns nicht sichtbar, nicht fassbar, nicht eingrenzbar erscheint. Das Böse findet für alles eine Begründung, für alles eine Entschuldigung, für alles eine Bestätigung. Das Böse begegnet uns mit ständig wechselndem Antlitz – mal überaus freundlich, dann ungeduldig und aufbrausend, dann wieder werbend, überredend, alle Vorteile schildernd, schließlich wirklichkeitsfremd und gnadenlos, unnachgiebig und brutal. Es sind immer wenige, die dann nicht einknicken, die dann nicht schwach werden, die dann nicht nachgeben und die dann nicht im Schlamm der Selbstausreden versinken. Und gerade sie – die Tapferen, die Widerständigen, die Standhaften – sie wissen, wie dringend sie Halt nötig haben, um nicht zuletzt doch abzustürzen in der Einsamkeit der Entscheidung. Da ist die Stunde, in der sich zeigt, ob einer mehr mit den Lebenssorgen oder mehr mit der Gottesgnade befasst ist.
Wer sich sorgt und immer wieder nur sich sorgt, der wird geruhsame Sicherheit erstreben und jeglichen Widerstand vermeiden. Wer jedoch Gottes Gnade glaubt, der wird erfahren, dass an den schwankenden Stellen des Lebens ein anderer an seine Stelle tritt, ein anderer ihn aufrichtet, ein anderer ihn stärkt, ein anderer ihn kräftigt – nämlich Christus, der das einzig gewisse Fundament im Leben ist. Wenn das Kreuz Christi solch eine Kraft hat, Menschen zum Widerstand zu befähigen, dann kann man sich eigentlich nur wundern, warum wir immer wieder zurückfallen in unseren kleinlichen Hochmut und in unsere ach so großen Sorgen. Der Gott, der in Christus solche Leiden trug, der in ihm den Tod überwand, der wird für uns auf wunderliche Weise sorgen und seine Macht an denen beweisen, die an ihn glauben.
Der 1. Petrusbrief richtet sich nicht an eine große, leuchtende Stadtgemeinde, in der das Leben pulsiert und eine Veranstaltung die andere jagt. Der 1. Petrusbrief ist geschrieben an die kleinen Gemeinden, die abseitig gelegen sind, die sich in der Minderheit fühlen, die manch einer schon aufgegeben hat. Ihnen wird gesagt, dass sie glauben, nicht sorgen sollen. Der Gott aller Gnade ernährt noch immer die Vögel unter dem Himmel und er lässt das Gras auf dem Feld wachsen samt den Lilien, wie wir es im Evangelium hörten. Diesen kleinen Gemeinden wird auch gesagt, dass die auferlegten Leiden nicht ewig dauern, weil Gott gnädig ist. Er lässt die kleinen Gemeinden nicht fallen. Er bewahrt sie unter seiner gewaltigen Hand.
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